Samstag, 1. Dezember 2007

Wahrheit - Halbwahrheiten - ?

Halbwahrheiten sind in erster Linie Unwahrheiten.
~~~

Petros



Zu diesem Satz von Petros habe ich im Kommentar einige Gedanken ausgedrückt. Petros war an weiterem Austausch interessiert. Und weil ich überlegt habe, ob/daß vielleicht auch andere an dieser Diskussion teilnehmen wollen, veröffentliche ich den Kommentar und die weiteren Ausführungen auch hier.

Dies ist der Kommentar, den ich bei Petros geschrieben habe:

eine sehr interessante aussage, die du da aufgestellt hast.
spontan war ich geneigt dir zuzustimmen.
doch dann mußte ich an meinen früheren ethikunterricht denken und das, was wir dort zu “wahrheit” gelernt haben.

wahrheit heißt demnach nicht, daß man jemandem immer und unter allen umständen alles sagt, was man weiß. sondern verantwortlich überlegt, mit was der andere umgehen kann ohne schaden zu nehmen. dabei ist darauf zu achten, daß man zu späterer zeit nichts von dem, was man gesagt hat, zurücknehmen muß (man darf also kein falsches bild, keine falschen tatsachen vermitteln) sondern gegebenenfalls darauf aufbauen kann.

das mag halbherzig oder sogar falsch klingen. und ich bin mir bewußt, daß es mißverständlich sein kann, ja muß in dieser verkürzten form.
vielleicht schaffe ich es, in meinem blog dazu mehr zu schreiben. kann es aber nicht versprechen, da ich derzeit sehr viel um die ohren und meine internetzeit deshalb sehr begrenzt habe.


dazu kommen weitere Gedanken:

ja, die wahrheit... sie hat mich schon so manches mal, auch in vorträgen, beschäftigt.

sicher ist das sprichwort bekannt, daß man jemandem die wahrheit nicht wie einen nassen lappen um die ohren schlagen sollte, sondern daß es besser ist, ihm wie in einen warmen mantel hinein zu helfen.

im grunde ist das erklärung und ergänzung zu den wenigen zeilen, die ich in dem blog von petros hinterlassen habe.

ein anderer gedanke zur wahrheit:
wahrheit ohne liebe macht rechthaberisch.
und sie verletzt.

wahrheit darf aufdecken, aber sie muß so gestaltet sein, daß sie die wunden/schmerzen, die sie bereitet auch wieder verbindet.
denn wenn wahrheit wirklich wahrheit ist, dann hilft sie zum leben und verhindert es nicht.


ein beispiel hat unser lehrer damals genannt.
versetze dich in eine mutter, die ihr kind aufklären will. wenn ein dreijähriges fragt, woher das brüderchen oder schwesterchen kommt, reicht es völlig aus, ihm zu erklären, daß es in mamas bauch gewachsen ist. es interessiert ein kleinkind nicht, wie es da hineinkommt und es wäre mit einer erklärung dazu auch überfordert. dennoch könnte man sagen, daß dies nicht die ganze wahrheit (und damit eine halbwahrheit? das gälte es zu klären) ist, denn wir wissen, daß da viel mehr dazu gehört, daß ein kind geboren wird.
dennoch ist es nicht falsch, wenn die antwort so ausfiele wie oben genannt.
falsch wäre es hingegen, wenn man das kind mit dem märchen "das hat der storch gebracht" abspeisen würde. diese aussage müßte man später, wenn das kind größer und verständiger geworden ist, zurücknehmen und durch die tatsächlichen fakten ersetzen. man würde unglaubwürdig, müßte man sagen: "das was ich dir damals gesagt habe, stimmt so nicht. eigentlich ist es nämlich so, daß..."
nicht gut, da sind wir uns sicher einig, denke ich.

auf der - für das dreijährige verständlichen - wahrheit, daß das kind in mamis bauch gewachsen ist, kann man aber aufbauen.
irgendwann wird das kind fragen, wie es hinein gekommen ist. dann könnte man antworten, daß es dadurch geschieht, daß mama und papa sich sehr lieb haben. wieder sind keine einzelheiten nötig, das kind wird selbst irgendwann danach fragen und alt genug sein, daß die eltern es über weitere zusammenhänge aufklären.

ein wichtiges stichwort für mich damals wie heute war in diesem zusammenhang:
die wahrheit so formulieren, daß jemand hineinwachsen kann.


Weil ich denke, daß das fürs Erste genug Diskussionsstoff gibt, ende ich erst mal hier. Ich bin gespannt, welcher Austausch sich hier entwickelt.


PS: Sorry dafür, daß der Text unterschiedlich formatiert ist. Oftmals schreibe ich aus Gründen der Schnelligkeit alles klein und mir fehlt jetzt die Konzentration, alles gleich zu formatieren.

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petros (Gast) - 2. Dez, 04:44

Ich stimme dir zu

man soll, wo es angebracht erscheint, "die wahrheit so formulieren, dass jemand hineinwachsen kann." Dieses gilt z.B im Falle deines Beispiels.
Insoweit kann mein "Aphorismus" in Frage gestellt werden.
Mein Fokus ging beim Schreiben auf den "Umgang auf gleicher Ebene", z.B. in der Politik, Wirtschaft, Kirche, Partnerschaft.

Und noch etwas: Wir sind im Miteinander m.E. viel zu häufig "Verpackungskünstler" , und was dabei herauskommt ist nicht selten eine Mogelpackung :-)

LG
Petros

claire.delalune - 5. Dez, 18:48

hallo petros, ich bin spät dran mit meiner antwort. ich weiß. entschuldige - mir fehlt grad die zeit fürs blog.

nun ist es wieder an mir, dir zuzustimmen.
ich weiß, was du meinst mit der gleichen ebene, mit politik etc.
wobei ich denke, daß es auch in der politik möglich wäre, (unangenehme) wahrheiten so zu sagen, daß die bürger nicht immer das gefühl hätten, ihnen würden unwahrheiten aufgetischt.

ich nehme mal die wiedervereinigung als beispiel.
damals 1990 wurde gesagt, daß es uns keinen pfennig kosten würde. - entweder waren die damaligen politiker dermaßen blauäugig, daß sie das so behauptet haben. oder aber, wahrscheinlicher, sie hatten bedenken, daß die menschen die wiedervereinigung nicht so euphorisch feiern würden, wenn sie gewußt hätten, welche belastungen und veränderungen auf sie zukommen.

hätte man z.b. gesagt: wir wissen noch nicht, wieviel geld es kosten wird, den wiederaufbau ost zu gestalten, wir wissen nicht, wieviele jahre es dauern wird, bis die strukturen so geschaffen sind, es wird aber einige zeit dauern...
darauf hätte man aufbauen können. damit hätte man ganz anders umgehen können, ohne hüben wie drüben das gefühl zu bekommen, verar...t worden zu sein.
sicher, es hätte auch unsicherheit bedeutet. und nichts fürchten politiker mehr. (außer vielleicht eine wahl zu verlieren - aber dafür werden sie mit fetten pensionen ja entschädigt... egal, das ist ein anderes thema.)

aber wird deutlich, daß dies prinzip auch bei zwei gleichen (wobei noch die frage zu klären wäre, ob politik und bürger die gleiche ebene ist und sein kann/soll/muß) funktionieren kann?

bin gespannt, ob die diskussion sich fortsetzen läßt.

lg zu dir,
kathrin

ps: ja, wir sind verpackungskünstler. keine frage. dazu kann ich nur nicken.
Uta-Traveller - 2. Dez, 15:28

Mir ging es wie dir, Kathrin, dass ich beim ersten Lesen dem Satz zustimmte.

"Halbwahrheit" - vielleicht liegt es an diesem (für mich) negativ besetzten Wort. Halbwahrheit klingt nach "nichts Halbes und nichts Ganzes".

Wie oft trauen wir uns nicht, jemandem die Wahrheit zu sagen, zum Beispiel über etwas, das wir getan oder vergessen haben. Dann versuchen wir, ein Stückchen Wahrheit zu erzählen, um in besserem Licht zu erscheinen.

"Wahrheit formulieren, dass jemand hineinwachsen kann" finde ich einen tollen Satz
das heißt, dass ich nicht egoistisch herausplatze mit was-auch-immer, sondern mir Gedanken mache über mein Gegenüber.

Und dein Beispiel mit der Kinderfrage macht deutlich, dass es wohl nicht DIE Wahrheit gibt, sondern dass Wahrheit auch von den Beteiligten abhängt.

Das sind meine unreflektierten Ideen zu deinem Thema. Und mir wird bestimmt noch mehr einfallen.
Bis dahin
Uta

Helmut Maier - 3. Dez, 14:40

Wahrheit

oder Halbwahrheit, dem, was Ihr dazu gesagt habt, kann ich nur zustimmen, allerdings dem von Petros Gesagten auch (Biermann würde hier vielleicht sagen: Da bin ich durchaus nicht immer meiner Meinung).

Vielleicht löst sich etwas von der Widersprüchlichkeit auf, wenn ich das so verstehe, dass ich die verschwiegene Wahrheit - und um die kann es ja nur bei dem nicht ausgesprochenen Teil der Wahrheit bei der geäußerten Hälfte gehen - n u r deswegen nicht nenne, damit ich so umso besser anderen Schaden zufügen oder mir einen mir nicht zustehenden Nutzen erwerben kann. Dann ist auch in meinen Augen eine halbe Wahrheit eine ganze Lüge.

Wenn ich auf meinem Blog gerade Gedanken zur Wintersonnwende darlege, dann weiß ich natürlich einerseits, dass ich nicht a l l e s sagen kann, was man vielleicht sagen müsste, und andererseits auch, dass Wahrheit oft sehr subjektiv ist. Das würde ich nicht als Rückzug auf Halbwahrheiten verstehen.

Liebe Grüße
Helmut
ELsa (Gast) - 3. Dez, 15:14

wahr oder nicht wahr?

Wahrheit wird immer Halbwahrheit sein für die Außenwelt, jeder hat doch seine eigene Wahrnehmung, aus der er seine persönliche Wahrheit schnitzt.

Es gibt zu viele Wahrheiten auf diesem Planeten! Aus diesem Grund wird es wohl nie den Weltfrieden geben, an den gerade in dieser Adventzeit immer wieder apelliert wird.

Wie wirklich ist die Wirklichkeit-Grüße,
ELsa
claire.delalune - 5. Dez, 18:56

nickt. ja, uta. ich denke, dieses "sich gedanken machen über das gegenüber", das macht es aus.

sicher wird es wahrheiten geben, an denen nichts zu beschönigen ist. wenn sicher ist, daß jemand an einer krankheit sterben wird oder eine todesnachricht überbracht werden muß. wenn klar ist, daß jemand entlassen wird oder hoffnungslos überschuldet ist. bei einer affäre ebenso und bei manch anderen dingen sicher auch noch.

sicher ist es da auch die frage, wie man die wahrheit überbringt. ob einfühlsam oder schonungslos direkt. und davon hängt ab, wie der andere sie annehmen und damit umgehen kann.

aber damit sind wir eigentlich schon bei dem "hinter der - sachlichen - wahrheit" oder?

lg,
kathrin
claire.delalune - 5. Dez, 19:01

helmut, du beleuchtest die seite des überbringers einer (un/halb)wahrheit. bringt es mir vorteile, etwas zu verschweigen. anders zu benennen?
stehe ich dann besser da, als wenn ich allzu deutlich werde?

mir fällt ein, daß man es bereits als unwahrheit bezeichnen kann, wenn ich die sachliche wahrheit sage - aber weiß, daß sie so, wie ich sie ausdrücke, vom gegenüber falsch verstanden wird. das mag an den umständen liegen, an der intelligenz, dem erfahrungshorizont oder manch anderem.

es wäre einfach, dann zu sagen: aber ich habe doch die wahrheit gesagt. zu einfach nämlich, weil letzlich doch klar gewesen ist, daß das gegenüber nicht das versteht, was ich sage, meine und was sachlich richtig ist.

und da sind wir wieder bei dem, bei dem die botschaft ankommen soll. ich bin also stets in der verantwortung, mitzuüberlegen, wie der andere hört.

irgendwo las ich mal den satz:
ich bin dafür verantwortlich was ich sage, nicht dafür was du verstehst.
aber ich glaube, ganz so einfach kann man es sich nicht machen.

lg,
kathrin
claire.delalune - 5. Dez, 19:05

wie wirklich ist die wirklichkeit?
das erinnert mich an den film "what the bleep do we know" http://www.bleep.de/
ist die wirklichkeit wirklich das, was ich wahrnehme (für wahr halte)? oder interpretiere ich nicht immer etwas hinein, durch meine erfahrungen, verletzungen, gedanken, wünsche, ängste... mache ich mir meine wirklichkeit (und damit auch meine wahrheiten) letztlich nicht immer selbst?

hach, es ist interessant, wohin das führt.
danke für alles mitdenken und hier schreiben.

und entschuldigung noch mal an alle dafür, daß ich erst so spät hier antworte.

lg,
kathrin
Brigitte (Gast) - 9. Dez, 15:30

2. Adventssonntag

Liebe Kathrin, ich schicke Dir herzliche, vorweihnachtliche Grüße.
War in der letzten Zeit nicht viel auf meinem Compiplätzchen und wenn, dann nur zum Bloglesen. Erst heute habe ich den Nachmittag mehr Zeit und mache eine ausgedehnte Blogtour.
Meine Tamy fordert sich ja auch ihre Spaziergänge und die braucht sie auch als Wohnungshund, damit sie gesund bleibt.
Ich möchte hoffen, Du bist ebenfalls auf dem Posten und sage bis zum nächsten Mal, tschüssi, Brigitte

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